In den USA werden rund 314 Mio Einwohner von einem Bundestag repräsentiert, der sich dort Repräsentantenhaus nennt (im täglichen Sprachgebrauch abgekürzt "The House" genannt - s. die Webadresse) und 435 Abgeordnete hat (+ sechs Abgeordnete ohne Stimmrecht). Rein rechnerisch ist also ein Abgeordneter dort für 721.839 Einwohner zuständig, also knapp eine Dreiviertel Million. Und es ist nicht bekannt, daß sich die Amerikaner unterrepräsentiert fühlen und mehr Abgeordnete fordern würden.
Hier bei uns in Deutschland haben wir rund 80 Mio Einwohner (da ist die überarbeitete Statistik mit den 1,5 Mio zuviel berechneten schon enthalten). Eine ähnliche Repräsentierung im Parlament analog zu den USA würde bedeuten, daß unser Parlament, der Bundestag, dann rein rechnerisch - 1 Abgeordneter auf 721.839 Einwohner - 110,82, also 111 Abgeordnete umfassen müßte.
Wie wir alle wissen, ist das nicht der Fall: Tatsächlich haben wir gegenwärtig mit 622 Abgeordneten mehr als das Fünffache. Wieso?
Man sollte also meinen, die großzügige, ja luxuriöse Vertretung, die wir uns leisten, gibt Abgeordneten genug Zeit, kluge Entschiedungen zu treffen.
Was aber muß ich jüngst in der FAZ lesen? Dies hier: Der Bundestag sei "überlastet" (!!) und sein Präsident Lammert läßt sich zitieren mit dem Spruch: "Wir machen zu oft zu viel"
Nun tagt das Parlament an zwei Wochen pro Monat, und ein Monat hat bekanntlich vier Wochen. Ich versuche, mir das jetzt vorzustellen, wie abgehetzt ich wohl wäre, wenn ich statt vier Wochen a 40 Std sage und schreibe zwei Wochen arbeiten müßte und die restliche Freizeit damit verbringen kann, meinen Status im Unternehmen zu stärken (analog zum Politiker innerhalb seiner Partei). Von den Vortragsabenden ist man dann total erledigt, völlig klar.
Nun hat Lammert m.E. in einem Punkt recht: Wer so machtgeil ist, daß er sich in jeden Lebensbereich einmischen will - bei den Grünen ist der "Veggie Day", also die Entmündigung der freien Essenswahl, so ein Punkt - wer also das will, braucht sich nicht zu wundern, wenn es zuviel wird. Und dann macht Lammert einen ganz süßen Vorschlag: Entweder müsse man die Zahl der Sitzungswochen erhöhen (damit die Politik uns noch mehr im Alltagsleben belästigen kann - bravo!) oder aber die Zahl der Vorlagen reduzieren. Dann möge er das doch machen! Wozu hat der Bundestag die Möglichkeit sich selber zu organisieren??
Oder kann er es etwa nicht??
Wie kriegen das dann die Amerikaner hin? Oder sollte es etwa so sein, daß sich die amerikanischen Abgeordneten wikrlich nur um die wichtigen Dinge kümmern und die Bevölkerung nicht mit Blödsinn a la staatlich verordneten Veggie Day oder Glühlampenverbot behelligen wollen und dies lieber der privaten Entscheidung eines jeden Einzelnen überlassen?
Was wir haben, ist Masse statt Klasse. Was wir brauchen, sind andere Politiker und andere Parteien. Und vor allem ein anderes Staats- und Machtverständnis, das dem Volk dienen will statt es zu beherrschen.
Am 22. September gibt es Gelegenheit dazu.
Meinungen?
Gruß
Klaus